307 km Flug nach Bremen

Mein weitester Flug

Von “Altes Lager” 307 Kilometer über plattes Land

Seit Tagen bin ich aufgeregt. Ich schlafe unruhig, und meine Gedanken kreisen nur ums Drachenfliegen, denn für den 4. Mai haben die Meteorologen einen jener selten guten Flugtage mit starkem Wind versprochen. Einen Hammertag, an dem man mal wieder richtig weit fliegen, vielleicht sogar den deutschen Streckenrekord brechen könnte – obwohl mir das verwegen erscheint, denn der liegt bei stolzen 381 Kilometern! Gerd Langwald, der Champion aus Niedersachsen, hat ihn 2004 aufgestellt, als er bei Westwind fast bis an die polnische Grenze segelte. Gute bis sehr gute Wolkenthermik mit Basishöhen um 2000 Meter sind für Norddeutschland gemeldet. Nur Hannover sieht das etwas pessimistischer: Die Bärte seien zerrissen – eigentlich bei Windgeschwindigkeiten von 40 km/h nicht erstaunlich. Deshalb mischt sich in meine Vorfreude die Sorge, ob diese Thermik überhaupt für einen Drachenstreckenflug geeignet ist. Auf eine turbulente Achterbahnfahrt habe ich nämlich keine Lust.

Start mit Hindernissen

Gegen 12 Uhr stehe ich mit meinem Fliegerfreund Wolfgang 70 Kilometer südlich von Berlin in Altes Lager an der Startbahn und träume halbherzig von großen Taten. Die Gleitis sind bei dem Wind gar nicht erst rausgekommen. Lange Zeit bleibt der Himmel über uns blau, doch im Norden, entlang der Kiefernwälder des Fläming, hat sich längst eine Wolkenstraße gebildet. Herrje, wir sind mal wieder zu spät! Wolfgang möchte heute den Vortritt haben – bitte sehr, bei dem Wetter gerne. Dafür bekomme ich den Einstiegsbart gratis. Um 13 Uhr 59 mache ich drei Schritte hinter Peters UL und fliege, zunächst in verblüffend ruhiger Luft. Aber am Ende des Platzes lauern die Brecher: Ein starker Aufwind erfasst das Schlepp-Trike vor mir, reißt es hoch und zur Seite, das Seil hängt durch, und noch ehe ich korrigieren kann, stürzt der Flieger wieder aus dem Bart. Das Zugseil strafft sich mit einem Ruck – peng, ich schwebe mit gerissener Sollbruchstelle und meinem Seilrest in 400 Metern über der Kart-Bahn. Zum Glück kann ich die Thermik lokalisieren und – oh Wunder – auch zentrieren, sodass der Drachen langsam aber beständig steigt. Dabei ist die Windversetzung in Richtung Westen unübersehbar. Am Ende des Platzes sind 1500 Meter Höhe erreicht- auf geht´s nach Norden über den Wald zur Anschlussstelle der “Wolkenautobahn”! Die Reise beginnt unglaublich zügig. Die Fluginstrumente bestätigen: Der Wind bläst mit 35 km/h aus Ostsüdost, manchmal sogar noch stärker. Ein Blick zurück überrascht mich allerdings, denn Wolfgang landet gerade wieder. Im Handumdrehen überquere ich die Autobahn nach Leipzig, kurz danach die Grenze des Segelflugplatzes Lüsse. Bei der Wetterlage sollten eigentlich alle Streckenflieger am Himmel sein, doch ein Segler liegt in der Bahn, während der zweite gerade landet. Ein schlechtes Zeichen? – Mag sein, denn mein Drachen sinkt seit Minuten. Weit im Nordwesten stehen die thermikverdächtigen Wolken, die ich brauche, aber der Weg dorthin wird elend lang. Erst direkt unter einem Wolkenberg finde ich in 500 Metern den rettenden Aufwind – große Erleichterung! Nun geht es entspannter in Richtung Elbe. Mein Blick wird frei für die leuchtenden Farben der Natur. Es grünt überall zwischen den Kiefernwäldern der Mark Brandenburg. Rote Ziegeldächer ragen gelegentlich daraus hervor. Auch die verlassenen Manövergelände wirken freundlicher als sonst.

Wie im Zeitraffer

Schon kreuze ich bei Ziesar die Hannover-Autobahn und ziele auf den Militärflugplatz Mahlwinkel, dessen Überreste am anderen Elbufer langsam verfallen. Nördlich von Burg drehe ich hoch auf 2300 Meter für den Sprung über den Fluss – heute ein Kinderspiel! Allerdings gibt es jetzt häufiger große Wolkenlöcher, die mir den Kurs diktieren. Die Sicht ist etwas schlechter geworden, die Thermik dagegen nicht, lediglich die Höhe der Wolkenbasis hat abgenommen. Manchmal gerate ich ziemlich tief, dann scheint der Flug zu ende zu sein, aber jedes Mal taucht ein Bart auf, der mir wieder Basishöhe bringt. Gegen die nachlassende Konzentration schiebe ich einen halben Apfel zwischen die Zähne – das tut gut. Links in der Ferne dürfte Wolfsburg liegen, aber das ist mehr eine Ahnung als Gewissheit. Schon entdecke ich rechts im Wald die Rennstrecke des VW-Konzerns. Überflug verboten, denn dort werden Testprogramme gefahren, die kein Unbefugter – auch nicht aus der Luft – beobachten darf! Hinter dem Elbe-Seitenkanal muss ich eine Entscheidung treffen, weil die Manövergebiete der Lüneburger Heide und der Militärflugplatz Fassberg genau auf Windkurs liegen. Zuerst will ich nördlich vorbei, aber der große Wald vor mir beeindruckt mich derart, dass ich lieber die südliche Route nehme. Dort liegen allerdings ausgedehnte Feuchtgebiete, weshalb ich mich nicht weit genug herantraue – mit dem Ergebnis, dass mein “Exxtacy” dem riesigen Übungs­platz von Bergen verdammt nahe kommt. Zum Glück haben die Soldaten um 18 Uhr Feierabend. Hier unterhielten die Nazis einst ein großes KZ. Heute erinnert ein Mahnmal an die Ermordeten.

Etwas zu früh gefreut

Ich strebe dem Autobahndreieck Walsrode zu. Unter den Wolken gleitet der Drachen wunderbar dahin, verliert minutenlang keine Höhe und ich spüre, dass der Wind genau nach Bremen bläst. Mühelos überhole ich jeden LKW auf der Autobahn unter mir – ein tolles Gefühl! Bei Verden muss ich auf Westkurs gehen – wegen des Bremer Airports. Die Flughöhe nimmt stetig ab, dabei schiebt der Wind den Drachen unerbittlich vorwärts: Jede Landemöglichkeit, die ich ins Visier nehme, ist wenige Minuten später schon wieder überflogen. Schnell noch die zweite Apfelhälfte – wegen der Konzentration, dann sehe ich ein riesiges, frei angeströmtes Feld – Bilderbuchlandung. Unglaublich: Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 64 km/h habe ich in knapp 5 Stunden 307 Flugkilometer zurückgelegt. Eine Stunde früher gestartet, und es wäre ein Rekordflug geworden! Claus Gerhard

200 km – ist doch total einfach!

Die überhebliche Überschrift kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es doch wohl ein paar Jährchen harter Arbeit (besonders in der Landekneipe) bedarf, um dann auch mal in die Verlegenheit zu kommen, solche Weiten zu schaffen. Nach einem nasskalten Sommer wurde es Anfang August doch noch was mit heiss und trocken und Ostwind. Ausserdem war die angekündigte Schwaben-Invasion (Rädelsführer Hartmut Marx) auf dem Platz, und Markus Hanisch und ich hatten diese Woche eh’ freigehalten, weil wir ursprünglich zum Um-die-Wette-Fliegen nach Zell am See fahren wollten (wiedermal musste Dietrich für uns die Berliner Fahne hochhalten, was ihm auch gut gelang).

Tagebau bei Helmstedt



Am Donnerstag, den 5.08.04 (nach Christus) startete Markus zu einem weiteren „mal-sehen-wie-weit-ich-heute-komme“-Flug, wie wir es ja nun seit einigen Jahren praktizieren. Ich hatte ihn allerdings auch durch ein 111KM-FAI-Dreieck am Vortag provoziert (motiviert natürlich), so dass er sich nicht lumpen liess und dann auch bis Lübbrechtzen hinter Hildesheim segelte (233KM). Das ist mit Abstand der weiteste Drachenflug, den ein DCB’ler von AL gemacht hat, wenn, ja wenn man Andreas Beckers Flug vor ein paar Jahren nicht dazurechnet, der mit einem Drachen über 240KM von AL geflogen ist (Andreas war ja damals noch nicht Mitglied 😉 und auch nicht die Starrflügler, die auch mal gerne so weit fliegen.
Robert Kosi ist mit dem Gleitschirm bis hinter Magdeburg geflogen, und ich schaffte es diesmal auch, den Rückholer zu machen, so dass wir so um 1:30h wieder in AL waren (das ist schnell für so eine lange Strecke). Am Folgetag war ich wieder dran, und angestachelt durch Markus’ Rekord startete ich bei grenzwertigem Wind (es war deutlich mehr als am Vortag) zu einem Flug, der sich durchgehend in niederen Regionen abspielte und eine Art verblasener Absauf-nein-doch-nicht-Flug wurde und nach 121KM sein Ende fand – ich hatte den Tag nicht ernst genommen und irgendwann auch keinen Bock mehr auf das ruppige Rumgeschubse. Danke an Volkmar fürs Rückholen, ich stand gleich an der AB-Ausfahrt und er war auch bald da, super!

FP Zerbst



Die Folgetage waren genauso verblasen, aber für Hartmut’s Crew wars trotzdem gut, weil die geduldigen Schwaben dann so ab 19:30h doch noch schleppen konnten, und in ruhigen Bedingungen konnte jeder an die 1.000m am Seil hochfahren, sie fanden’s alle super. Die letzte Chance für einen guten Flug deutete sich in der Prognose schon an für den folgenden Dienstag, 10.8., und so machten wir uns denn ein weiteres Mal auf den Weg nach AL, um es noch ein letztes Mal (heute ist der Hammertag, etc.) zu probieren. Martin Collischon hatte es irgendwie auch geschafft, rauszukommen, und er war einer der ersten, die vom Platz losflogen. Einige andere Frühstarter hatten Pech und versenkten sich ziemlich bald hinter dem Platz. Ich flog mit Markus los, aber unser Laminar-ST-Team verstreute sich schon recht bald, da ich etwas ungeduldig war und Gas geben wollte (ich wollte ja Markus’ Rekord brechen).

Seen östlich von Schönebeck



Am Ende vom Tag hatte es Martin geschafft, 207KM mit seinem Gleiti (Aeron) zu fliegen und dann auch noch logistisch genial am ICE zu landen, er war um 21:00h wieder am Bhf. Zoo. Markus flog 191KM nach Salzgitter und ich hatte es wirklich auch geschafft, 203KM bis hinter Braunschweig zu gelangen. Zwei der Früh­versenker hängten sich so gegen 3 Uhr nochmal ans Seil und flogen auch noch einen Hunderter nach Hause, Bernd Winopal und Rudolf Eifler. Robert Kosi und Andreas Fuchs kamen sehr schnell vorbei, vielen Dank, und wir fuhren dann über Saarmund nach Berlin zurück. Die vier Drachen-Jungs, die hinter Magdeburg gelandet waren, hatten Pech mit ihrem angekündigten und dann-doch-nicht-Rückholer, so dass sie nach Wolfgang Nissers Gnaden-Rückhol-Tour von Berlin aus irgendwann nachts (oder wars schon wieder morgen?) in AL waren, sie nahmen’s aber mit Humor.

Schönebeck, Blick nach O



Moral: Martin hat nach hartem Training in Siegritz (Schleppgelände in Franken) bei uns mal kurz so richtig die (Gleit-)Sau rausgelassen, und wir fragen uns alle, was hat er, was wir nicht haben? Jaja, alles Glück 😉 Markus hat gezeigt, dass der Weg zur Porta Westfalica frei ist (er landete vor dem Ith, also den ersten Ausläufern der Berge, die zur Porta führen). Ich hab nach einem 100er Dreieck auch den 200er geschafft, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass ich einen neuen Drachen habe, der doch deutlich besser ist als der alte mit Turm. Die NW-Ecke von Magdeburg hat laut Andreas Becker Löss-Boden (M-burger Börde), so dass man dort mit schöner Regelmässigkeit landen gehen muss (hier enden alle Ortsnamen auf –leben, vielleicht umbennen in –lehm oder –landen?)

Magedeburg, Blick nach N. FP ist in der Mitte/links



Die simpelste Lehre ist die altbekannte, dass es nur ein paar wenige Tage im Jahr gibt, an denen solche Flüge möglich sind. Diese schon ein, zwei Tage vorher zu erkennen, dann auch noch Zeit zu haben, und auch noch früh auf dem Platz zu sein, das ist schon fast eine grössere Kunst, als dann tatsächlich den Flug zu machen.

Alles legal. Über dem FP Braunschweig. Erlaubt sind 700m, ich hatte 1.300+ 🙂



Die Drachen werden immer besser (dies Jahr 350KM im süddt. Flachland), die Gleitis werden immer besser (dies Jahr 320KM in den Alpen), also traut euch was, es könnte womöglich hinhauen.
Viel Spass bei miles&more, Georg

Ich mache nur schnell einen Flug …

“Ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da!” – aus der Sicht einer Fliegerfrau

Das war meine erste unsanfte Einführung, in das mir bis dahin unbekannte Abenteuer eines Rückholers.
Es war an einem extrem schwülen Augusttag im Jahr 2001, mit 32° Grad, die sich auf dem aufgeheizten Flugplatz, wie  fast 40° Grad anfühlten. Da die Bedingungen im Alten Lager so sind, dass man mit Kindern im Wald schön zelten kann, planten wir ein Familienwochenende mit einem Badeausflug und für Viktor sollte das Fliegen natürlich auch nicht zu kurz kommen. Durch die doch sehr lange Helmreihe war es bereits 13.30 Uhr, als Viktor nun endlich startete , mit dem Spruch: ” Ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da”.
Wir waren schon alle sehr ungeduldig, denn wir wollten ja noch nach dem Flug an den See fahren. Und so beschlossen wir gemeinsam, dass ich mit den Kindern kurz warte. Was wir allerdings in der endlosen Wartezeit nicht ahnten war, dass Viktor seinen ersten Streckenflug über 60 km machte.
Nun bekam ich endlich den ersehnten Anruf mit den Worten: ” ich weiß zwar nicht wo ich gelandet bin, aber Willi wird dir schon anhand meiner gesagten Koordinaten sagen können, wo ich stecke, dann kannst du mich ja abholen.”
Willi wusste auch nicht wo Viktor war, denn die übermittelten Koordinaten gaben ihm ein Rätsel auf, sie machten keinen Sinn. Später stellte sich heraus, dass er ein falsches Koordinatensystem eingestellt hatte. Da an diesem Tag noch zwei Piloten die heimatlichen Gefilde verließen, beschloss Willi kurzerhand die drei Gestrandeten wieder einzusammeln. Er sah mir meine Verzweiflung glaube ich an, denn ich hatte ja nicht mal eine Karte im Auto. Heute kann ich darüber schmunzeln, damals war mir nicht danach zumute. Schließlich warteten wir ja insgesamt geduldige 5 Stunden, bis dann alle ausgeflogenen Flieger wieder am Platz waren.
Leicht verstimmt und mit der Tatsache, dass wir bei dieser Hitze am Platz brüteten, fuhren wir dann doch noch ziemlich spät zu siebent baden und anschließend wurden beim Essen über die Flieger-Heldentaten berichtet. Mit einem ordentlichen Gewitter verabschiedete sich dieser doch noch ganz schöne heiße Tag. Ab diesem Zeitpunkt beschloss ich die Rückholerei selbst in die Hand zu nehmen, in der Hoffnung, wenn ich schon mal vorfahre, dass wir  schneller wieder zurück sind und wir dann noch den einen oder anderen von mir geplanten Ausflug gemeinsam genießen können. Die Gegend um Jüterbog hat nämlich auch schöne Burgen und Schlösser, die sich lohnen zu besichtigen. Nachdem ich nun 10 Jahre mit am Platz dabei bin, kann ich mich nicht nur als eine alte Häsin des Rückholens bezeichnen, auch erkenne ich bereits wo auf dem Platz der Bart steht, was die Wolken am Himmel bedeuten, wie hoch die Basis ist, oder welche Strecke ich nach Windrichtung und Stärke schon vorfahren könnte, wenn ich möchte. Inzwischen bin ich auf den Bundesstraßen in ganz Brandenburg, Sachsen Anhalt und im Harz zu Hause und kenne auch so manchen versteckten Feldweg zu den üblichen Absaufstellen.
Zur Freude und Beruhigung der anderen Strecken-Piloten, komme ich mit GPS, Telefon, Landkarten und Funk  professionell bewaffnet seit 4 Jahren nicht nur am Wochenende, sondern auch an fast allen Streckenflugtagen innerhalb der Woche mit auf den Flugplatz.
So ist es doch schön zu hören, wenn z.B. Markus sagt, “Du bist meine Rettung, wer weiß wann ich sonst nach Hause gekommen wäre”, – dass an einem  Sonntag Abend, wo keiner mehr  Lust hat, einen glücklich gelandeten Piloten noch hinter Torgau abzuholen.
Wenn ich nur nicht so viel Angst hätte, könnte ich schon einige male als Dankeschön, nicht nur bei Markus im Tandem mit fliegen.
Nun, seit jenem besagten Tag im August 2001 wurde der Satz, “ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da” zu Viktors Leitspruch. Es war und ist wie verhext, sagt er ihn, geht er auf Strecke, sagt er ihn nicht, steht er kurzerhand wieder am Boden. Und im Laufe der Zeit hat es sich so ergeben, dass ich dann zu einer Art Telefonzentrale geworden bin, wo sich alle Streckenflieger melden um zu koordinieren, wie sie am besten zurückkommen. Das ist für mich natürlich auch wichtig, denn manchmal ist der Wind am Boden anders als in der Luft und ich kann dann unterwegs noch schnell meine Route etwas anders legen. Ich gebe es offen zu, wenn die Konkurrenz schon am Boden steht, finde ich es  nicht besonders traurig, doch freuen kann ich mich natürlich für alle, egal wie weit sie von der Thermik getragen wurden. Wenn ich mich mit Verpflegung im Gepäck und einem kühlen Landebier im Kofferraum, einen Kanister Wasser zum Erfrischen auf den Weg mache um die Jungs einzusammeln, sagen alle, ich bin die Beste Fliegerfrau, die sich Fliegermännerherzen erträumen können. Das Weiteste was ich letztes Jahr gefahren bin, war als Viktor (wieder mal an einem Sonntag) 183 km von Altes Lager nach Salzgitter geflogen ist. Gerd Ott flog an diesem Tag 192 km und landete ebenfalls in Salzgitter. Leider konnte ich Gerd nicht mitnehmen, weil mein kleines Auto voll gepackt bis unters Dach mit Zeltzeug und Gleitschirmausrüstung war.  
Viktor hat letztes Jahr 1800 Flugkilometer gerissen und sich mit dem Gedanken im Kopf, dass ich Ihn zurückhole, auf Platz 4 im Deutschlandpokal mit einem zweier Schirm vor gekämpft. Das macht mich natürlich besonders stolz. Was für eine Leistung wir beide vollbracht haben, wird mir erst angesichts dieser Zahlen bewusst. Da sich bei Viktor von Jahr zu Jahr die Leistungen steigern und die Strecken-Kilometer immer  mehr werden, haben wir nun ausgemacht, dass er demnächst doch öfter mit dem Zug zurück fährt. Zum Schluss möchte ich noch sagen, auch wenn ich nicht direkt im DCB Mitglied bin, so bin ich doch tief verwurzelt und von allen auch als “Flieger im Herzen” akzeptiert und es ist schön, so dazu zugehören. Selbst wenn sich in so einem großen Verein nicht immer alle einig sind, so hoffe ich doch, dass wir alle zusammen noch viele schöne Grillabende verbringen können. Besonders gerne höre ich mir dabei noch immer die alten Fliegergeschichten vergangener Zeiten an, da merkt man oft, wie Leid und Freud dicht bei einander liegen. Wenn dann noch der eine oder andere selbst gebackene Kuchen (wie besonders lecker von Claudia), Willis Gulaschsuppe, Volkers Salat oder morgens frische Brötchen (wie so oft von Detlef geholt) vorhanden sind, wissen alle, wie schön es doch im Alten Lager ist. Manja – Viktors Schnucki,
die es schön fände, wenn noch mehr Fliegerfrauen auf den Platz dabei wären.

188 km von Altes Lager

188 km von Altes Lager (Brandenburg) nach Ummern (Niedersachsen)

Gutes Flugwetter ist angesagt für den 4. / 5. Juli 2001. Und wie fast immer bei brauchbarem Flugwetter, finden sich einige Flugenthusiasten unseres Drachen- und Gleitschirm-Fliegerclub Berlin/Brandenburg (DCB) zum Schleppbetrieb ein. Auch ich komme auf unser Vereinsgelände ‘Altes Lager’, einem ehemaligen russischem Militärflugplatz ca. 50 km südlich von Berlin. Am Mittwoch, dem 4. Juli macht der Aufzug von mittelhoher Stratusbewölkung schon kurz nach Mittag alle Streckenflugwünsche zunichte. Aber an diesem Donnerstag wird alles anders als sonst. Die ersten Cumuli bilden sich gegen zehn. Zur gleichen Zeit haben wir alles für den Windenschlepp notwendige aufgebaut. Dies ist erstaunlich, insbesondere wenn ich an die vorabendliche Lagerfeuerrunde denke, die sich bis ins Morgengrauen hinein zieht. Und so stehen Hagen Walter und ich als Erste am Start, nach dem Georg Weber uns beiden noch einige Thermikhinweise in Flugrichtung gegeben hat, fand doch mein bis dato weitester (motorloser) Streckenflug am Vortag über ca. 8 km bis kurz vor Blönsdorf statt. Der Wind weht mit noch erträglichen gut 10 ktn direkt aus Osten. Damit fällt mir die Entscheidung leichter, meinen Atlas S dem noch kleineren X-Act 19 von Marion, meiner Frau, vorzuziehen. Kurz vor halb elf starte ich unmittelbar nach Hagen, der es auf der Platz-Südseite versucht und fliege eine Cu nördlich des Platzes an, an der ich mich auf 850 m gnd hocharbeiten kann. Mit der Wolke über das als ‘Sauf-Senke’ gefürchtete Malterhausen driftend, halte ich nördlich vor und kann die dort schon gut entwickelte Wolkenstrasse erreichen. Dennoch gibt es für mich nur Höhen zwischen ca. 650 und 950 m gnd bis etwa Treuenbrietzen. Während dieser Zeit orientiere ich mich eher an den Schatten der Wolken als an den Wolken selbst. Wo werden sie dichter? Wo löchriger? Wo zerfallen sie schon? Obwohl ich sehr defensiv fliege und versuche, möglichst lange süd-östlich (luv- und sonnenseitig) unter den Wolken zu bleiben, verliere ich kurz vor der Querung der A9 den Aufwind. Zum Glück zeigen mir Schwalben an einer (leeseitigen!) Waldkante aber Thermik an und ich muss mich aus den verbliebenen 350 m Höhe nicht entscheiden, welches der naheliegenden Dörfer ich zur Aussenlandung anfliegen soll. Mit Erreichen der A9 scheine ich es auch vorerst geschafft zu haben. Es geht auf 1350 m und ein paar Wolkenfetzen um mich zeigen an, dass dies wohl die Basishöhe ist. Von hier aus kann ich ohne Höhenverlust über den Fläming ‘heizen’, was mein Schirm hergibt; ohne zu kreisen immer direkt unter der Wolkenstrasse und zum Teil bis gut 1600 m hoch. Die ED-R 73 umfliege ich ohne Umweg südlich. Mit dieser komfortablen Höhe fallen mir Georgs Worte von einer ‘Thermikfurt’ nördlich von Burg über die Elbe ein und halte nördlich auf eine Cumulus vor. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl dabei, von einer Wolke wegzufliegen und dann nichts weiter als hoffen zu können, die nächste zu erreichen. Und dabei quälend langsam zu sein. Aber ich erreiche den Aufwind in ca. 500 m gnd und arbeite mich wieder hoch. Jetzt ist aber Geduld angesagt. Ich lasse mich unter einer Wolke ganz langsam über die Elbe versetzten. Dabei habe ich viel Zeit, die Baustelle des Mittelland-Kanals, eine Brücke über die Elbe, zu bestaunen. Magdeburg liegt südlich im dunstigen Gegenlicht, die riesigen Kali-Abraumhalden von Zielitz direkt in Flugrichtung. Mehr als drei Stunden bin ich nun schon unterwegs und ich überlege, ob sich die ‘Hinterbliebenen’ schon beginnen, Sorgen zu machen. Aber telefonieren ist schwierig für mich, zumal die unruhige Luft auch nicht gerade einlädt, die Bremsen einhändig zu führen oder gar los zu lassen. Doch nun gilt es erst einmal, ausreichenden Abstand zum Sperrgebiet Colbitz-Letzlinger Heide zu gewinnen. In mehr als 1400 m fliege ich knapp südlich an der ED-R 74 vorbei. Wieder einmal haben mir leuchtend weisse Schmetterlinge in über 1000 m Höhe gezeigt, wo es thermisch langgeht. Denn selbst wenn ich ein stabiles Steigen habe, finde ich jedes Mal direkt bei den Insekten noch bessere Steigwerte. Von Süden her taucht der Mittellandkanal wieder auf. Dabei geht es über den feuchten Feldern des Naturparks Drömling nicht so richtig weiter. Ich entschliesse mich, unter grossflächige Abschattung einer zerfallenden Cumulus gen Südwesten vorzuhalten. Dabei hoffe ich auf Thermik über Oebisfelde, denn die Stadt liegt im prallen Sonnenlicht des frühen Nachmittags. Wieder dieser quälend langsame Schirm quer zum Wind, aber wenigstens muss ich nicht durch ‘Saufen’ fliegen. Mit dem Näherkommen suche ich mir auch schon eine Landewiese in der Nähe des Bahnhofes ­ Oebisfelde liegt als ehemaliger Grenzbahnhof direkt an der Neubaustrecke Berlin-Hannover. Wieder bleibt mir die Thermik-Fee treu. Bei nur 280 m Höhe entdecke ich einige Schwalben bei der Insektenjagd. Gleichzeitig merke ich, wie mein Schirm in die Thermik eintaucht. Ziemlich kräftig geht die Kappe dabei nach hinten und fast fahrstuhlartig geht es mit 5 m/s den wohl stärksten Bart des Tages auf 1200 m hoch. Wäre ich mit dem bisherigen Flug bereits mehr als zufrieden macht sich nun sogar leichte Euphorie breit, allerdings leicht gedämpft durch die erste Erschöpfung. Ich bin nun bereits fünf Stunden in der Luft, als ich versuche einem Bedürfnis zu verrichten. Kein leichtes Unterfangen, denn ich habe einen Frontcontainer vor mir. Zum Glück ist im Gleitflug zwischen zwei Wolken die Luft sehr ruhig. Und die Ruhe zwischen den nächsten Wolken nutze ich, um im akustischen Blindflug eine Ansage auf das DCB Info-Telefon zu sprechen ­ aus 950 m Höhe und südlich von mir die VW-Werke am nördlichen Stadtrand von Wolfsburg sehend. Die Schmetterlings-Thermikzeiger werden seltener, die Wolken stehen in größerem Abstand und sehen in Flugrichtung zunehmend fransig aus. Dafür tauchen nacheinander mehrere Segelflugzeuge mit östlichem Kurs auf. Meine thermischen Kreise, zusammen mit einem der Segler, finden bereits im navigatorischen Niemandsland statt. Meine mitgenommenen 1:200000- Kartenblätter sind bei Gifhorn zu Ende. Meine ‘Flugwut’ allerdings auch. Als ich schräg vor mir mitten im Wald einen kleinen Segelflugplatz entdecke, beschliesse ich, nicht den nächstgelegenen Ort namens Spechtshorn, wie mir später die Karte verrät, anzufliegen. Ich bereite bei 550 m gnd die Landung auf dem Segelflugplatz Ummern vor, wie mir ein weisser Schriftzug auf der Flugzeughalle sagt. Sichere Landezeugen, eine wahrscheinliche Rückfahrmöglichkeit und auch die Vorfreude, das Erlebte anderen Fliegern mitteilen zu können, mich dazu. Aber es ist eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellt. Niemand ist auf dem Platz; die kurz zuvor gesehenen Segelflugzeuge kamen von wo anders. So stehe ich ohne Karte nach fast genau sieben Flugstunden um halb sechs mutterseelen allein auf einem abgelegenen Flugplatz in Niedersachsen. Es dauert nur ein paar Minuten und ich stehe, gestärkt durch die begeisterten Glückwünsche von Willy Kuck, an einer winzigen Strasse und hoffe auf eine gute Seele, die mich, egal in welche Richtung in den nächsten Ort mit nimmt. Und ich finde Sie in Form einer jungen Frau und anschliessend einem älteren Herrn. Dieser ist so begeistert, dass er spontan einen Umweg von 15 km fährt und mich direkt in Gifhorn am Bahnhof absetzt. Von hier ist es über Wolfsburg nach Berlin mit dem ICE nur ein Katzensprung von weniger als zwei Stunden. Während ich im voll-klimatisierten Zug sitze und den Tag Revue passieren lasse, erhalte ich auch Infos über die Strecken von Thomas Kuhlmann, der ganz in der Nähe von mir bei Brome gelandet ist (159km). Auch Georg und Hagen haben beachtliche Strecken an diesem Tag hingelegt. Und in Berlin holt mich sogar noch Mario Stielke ab, um mit mir mein Auto von Altes Lager zurückzuholen. Punkt Mitternacht bin ich nach diesem fantastisch-antrengendem Tag zu Hause in Hennigsdorf. Aber ich brauche wohl noch einige Tage, diesen Flug ganz zu begreifen.

Auf jeden Fall ein grosses Dankeschön:
– an Georg für das Mut machen, auf Strecke zu gehen, seine Thermikhinweise und den
Windenschlepp zu einem Zeitpunkt, wo wir in der Regel noch nicht einmal aufgebaut haben,
– an Mario, der mich, obwohl schon zu Hause, vom Bahnhof aus Berlin abgeholt und zum
Autorücktransport nach Altes Lager gefahren hat sowie die beiden lieben Menschen, die mich
mit meinem Gepäck mitgenommen und sogar Umwege für ein Dankeschön in Kauf genommen
haben,
– an Peter Schwarz von den Gifhorner Segelflieger, der meinen verloren gegangenen
Handschuh wieder gefunden und mir geschickt hat und
– an Willy für das Sponsoring von 100 Flaschen Landebier für den ersten Gleitiflug von AL über
mehr als 100 km. Das wird eine Fete am Lagerfeuer! Jörg Maaß