Ich mache nur schnell einen Flug …

“Ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da!” – aus der Sicht einer Fliegerfrau

Das war meine erste unsanfte Einführung, in das mir bis dahin unbekannte Abenteuer eines Rückholers.
Es war an einem extrem schwülen Augusttag im Jahr 2001, mit 32° Grad, die sich auf dem aufgeheizten Flugplatz, wie  fast 40° Grad anfühlten. Da die Bedingungen im Alten Lager so sind, dass man mit Kindern im Wald schön zelten kann, planten wir ein Familienwochenende mit einem Badeausflug und für Viktor sollte das Fliegen natürlich auch nicht zu kurz kommen. Durch die doch sehr lange Helmreihe war es bereits 13.30 Uhr, als Viktor nun endlich startete , mit dem Spruch: ” Ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da”.
Wir waren schon alle sehr ungeduldig, denn wir wollten ja noch nach dem Flug an den See fahren. Und so beschlossen wir gemeinsam, dass ich mit den Kindern kurz warte. Was wir allerdings in der endlosen Wartezeit nicht ahnten war, dass Viktor seinen ersten Streckenflug über 60 km machte.
Nun bekam ich endlich den ersehnten Anruf mit den Worten: ” ich weiß zwar nicht wo ich gelandet bin, aber Willi wird dir schon anhand meiner gesagten Koordinaten sagen können, wo ich stecke, dann kannst du mich ja abholen.”
Willi wusste auch nicht wo Viktor war, denn die übermittelten Koordinaten gaben ihm ein Rätsel auf, sie machten keinen Sinn. Später stellte sich heraus, dass er ein falsches Koordinatensystem eingestellt hatte. Da an diesem Tag noch zwei Piloten die heimatlichen Gefilde verließen, beschloss Willi kurzerhand die drei Gestrandeten wieder einzusammeln. Er sah mir meine Verzweiflung glaube ich an, denn ich hatte ja nicht mal eine Karte im Auto. Heute kann ich darüber schmunzeln, damals war mir nicht danach zumute. Schließlich warteten wir ja insgesamt geduldige 5 Stunden, bis dann alle ausgeflogenen Flieger wieder am Platz waren.
Leicht verstimmt und mit der Tatsache, dass wir bei dieser Hitze am Platz brüteten, fuhren wir dann doch noch ziemlich spät zu siebent baden und anschließend wurden beim Essen über die Flieger-Heldentaten berichtet. Mit einem ordentlichen Gewitter verabschiedete sich dieser doch noch ganz schöne heiße Tag. Ab diesem Zeitpunkt beschloss ich die Rückholerei selbst in die Hand zu nehmen, in der Hoffnung, wenn ich schon mal vorfahre, dass wir  schneller wieder zurück sind und wir dann noch den einen oder anderen von mir geplanten Ausflug gemeinsam genießen können. Die Gegend um Jüterbog hat nämlich auch schöne Burgen und Schlösser, die sich lohnen zu besichtigen. Nachdem ich nun 10 Jahre mit am Platz dabei bin, kann ich mich nicht nur als eine alte Häsin des Rückholens bezeichnen, auch erkenne ich bereits wo auf dem Platz der Bart steht, was die Wolken am Himmel bedeuten, wie hoch die Basis ist, oder welche Strecke ich nach Windrichtung und Stärke schon vorfahren könnte, wenn ich möchte. Inzwischen bin ich auf den Bundesstraßen in ganz Brandenburg, Sachsen Anhalt und im Harz zu Hause und kenne auch so manchen versteckten Feldweg zu den üblichen Absaufstellen.
Zur Freude und Beruhigung der anderen Strecken-Piloten, komme ich mit GPS, Telefon, Landkarten und Funk  professionell bewaffnet seit 4 Jahren nicht nur am Wochenende, sondern auch an fast allen Streckenflugtagen innerhalb der Woche mit auf den Flugplatz.
So ist es doch schön zu hören, wenn z.B. Markus sagt, “Du bist meine Rettung, wer weiß wann ich sonst nach Hause gekommen wäre”, – dass an einem  Sonntag Abend, wo keiner mehr  Lust hat, einen glücklich gelandeten Piloten noch hinter Torgau abzuholen.
Wenn ich nur nicht so viel Angst hätte, könnte ich schon einige male als Dankeschön, nicht nur bei Markus im Tandem mit fliegen.
Nun, seit jenem besagten Tag im August 2001 wurde der Satz, “ich mache nur schnell einen Flug und bin gleich wieder da” zu Viktors Leitspruch. Es war und ist wie verhext, sagt er ihn, geht er auf Strecke, sagt er ihn nicht, steht er kurzerhand wieder am Boden. Und im Laufe der Zeit hat es sich so ergeben, dass ich dann zu einer Art Telefonzentrale geworden bin, wo sich alle Streckenflieger melden um zu koordinieren, wie sie am besten zurückkommen. Das ist für mich natürlich auch wichtig, denn manchmal ist der Wind am Boden anders als in der Luft und ich kann dann unterwegs noch schnell meine Route etwas anders legen. Ich gebe es offen zu, wenn die Konkurrenz schon am Boden steht, finde ich es  nicht besonders traurig, doch freuen kann ich mich natürlich für alle, egal wie weit sie von der Thermik getragen wurden. Wenn ich mich mit Verpflegung im Gepäck und einem kühlen Landebier im Kofferraum, einen Kanister Wasser zum Erfrischen auf den Weg mache um die Jungs einzusammeln, sagen alle, ich bin die Beste Fliegerfrau, die sich Fliegermännerherzen erträumen können. Das Weiteste was ich letztes Jahr gefahren bin, war als Viktor (wieder mal an einem Sonntag) 183 km von Altes Lager nach Salzgitter geflogen ist. Gerd Ott flog an diesem Tag 192 km und landete ebenfalls in Salzgitter. Leider konnte ich Gerd nicht mitnehmen, weil mein kleines Auto voll gepackt bis unters Dach mit Zeltzeug und Gleitschirmausrüstung war.  
Viktor hat letztes Jahr 1800 Flugkilometer gerissen und sich mit dem Gedanken im Kopf, dass ich Ihn zurückhole, auf Platz 4 im Deutschlandpokal mit einem zweier Schirm vor gekämpft. Das macht mich natürlich besonders stolz. Was für eine Leistung wir beide vollbracht haben, wird mir erst angesichts dieser Zahlen bewusst. Da sich bei Viktor von Jahr zu Jahr die Leistungen steigern und die Strecken-Kilometer immer  mehr werden, haben wir nun ausgemacht, dass er demnächst doch öfter mit dem Zug zurück fährt. Zum Schluss möchte ich noch sagen, auch wenn ich nicht direkt im DCB Mitglied bin, so bin ich doch tief verwurzelt und von allen auch als “Flieger im Herzen” akzeptiert und es ist schön, so dazu zugehören. Selbst wenn sich in so einem großen Verein nicht immer alle einig sind, so hoffe ich doch, dass wir alle zusammen noch viele schöne Grillabende verbringen können. Besonders gerne höre ich mir dabei noch immer die alten Fliegergeschichten vergangener Zeiten an, da merkt man oft, wie Leid und Freud dicht bei einander liegen. Wenn dann noch der eine oder andere selbst gebackene Kuchen (wie besonders lecker von Claudia), Willis Gulaschsuppe, Volkers Salat oder morgens frische Brötchen (wie so oft von Detlef geholt) vorhanden sind, wissen alle, wie schön es doch im Alten Lager ist. Manja – Viktors Schnucki,
die es schön fände, wenn noch mehr Fliegerfrauen auf den Platz dabei wären.